I. Mads und Mari
….
II. Die Geschichte von Sverre Grimmlund
Hoch oben im Norden liegt ein kleines Dorf namens Skjalsund. Der Jarl des Dorfes ist Tonje Eberesche, der in der Region rund um das Dorf bekannt und gefürchtet ist. Bei ihm in der Schuld stehen, heißt größte Vorsicht walten zu lassen. Kränkt man ihn oder bricht man gar ein Abkommen mit ihm so kann es sein, dass einen am folgenden Tag Sverre Grimmlund alias „der Koch“ besucht. Seinen Spitznamen bekam der Handlanger des Jarls nicht umsonst. Er erscheint stets wenn Tag und Nacht sich die Klinke in die Hand geben. Im schwachen Licht der Dämmerung sieht man vor allem zwei markante Dinge, die er bei sich trägt. Ein kleines Säckchen mit Würfeln und eine Axt. Dann wird gewürfelt. Und zwar um nichts geringeres als das Leben. Nicht das eigene. Das des Menschen, der einem am nähesten steht. Gewinnt man das Spiel, so muss man sich lediglich von einer Fingerkuppe trennen. Die Knochen verwendet Sverre dann als Material für seine neuen Würfel. Verliert man aber, so nimmt sich Sverre deinen liebsten Menschen vor, hackt ihn mit seiner Axt in Stücke und verschwindet damit in der Küche. Während dir ein Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase steigt, wird dir klar, dass du gleich ein sehr fürstliches aber auch bitteres Mahl verzehren wirst, das dich für dein Leben zeichnen wird.
Bevor Sverre sich wieder aufmacht, lässt er dir noch einen seiner Würfel da. Das Makabere; alle Seiten seiner Würfel sind weiß. Ob du gewinnst oder nicht, hängt einzig und allein an der Laune des Kochs ab. Und die ist meistens miserabel…
III. Luina und der Weltenwal
Kapitel 1, Das Wankende Wiesel
Vor vielen Wintern lebte einmal ein junges Mädchen mit pechschwarzem Haar. Ihr Name war Luina und sie hatte ein gewisses Talent dafür, in Schwierigkeiten zu geraten. Es gibt eigentlich nur eines über sie zu wissen: Man sollte sich nach Möglichkeit von ihr fernhalten!
Es soll ja Menschen geben, die werden vom Glück verfolgt. Jonna, der Mann von Luinas Tante, war so eine Person. Er hatte stets die Taschen voller Gold, da er ein Meister im Kartenspielen war, beziehungsweise sich als ein solcher ausgab. Niemand hatte je gemerkt, dass er hin und wieder mit gezinkten Karten spielte und auch sonst einige Tricks anwendete, für die man in der Hauptstadt Havreborg direkt hingerichtet würde. So spielte er bei dem beliebten Kartenspiel “Drei Säue vor dem Hof” die Sau meist in der ersten Runde, was bekanntermaßen stets für Verwirrung sorgte. An seinen ganz dreisten Tagen kam es auch vor, dass er dieselbe Sau am Ende nochmal spielte. Ihr müsst wissen, dass Jonna stets noch eine “Sau im Ärmel” hatte, wie man hier in Fjellstrup so schön zusagen pflegte. Und stets kam Jonna damit durch. War das verwunderlich? Natürlich nicht! Aber das kann zweifellos keiner wissen, der noch nie eine mitternächtliche Runde “Drei Säue vor dem Hof” im “Wirtshaus zum wankenden Wiesel” gespielt hat.
Das “Wankende Wiesel” machte seinem Namen ganze Ehre. Über der Eingangstür prangte ein hölzernes Schild mit einer Weisheit des lokalen Dichters Toivo Alekson, welche den Zustand der sich im Gasthaus befindlichen Individuen vortrefflich widerspiegelte: “Schmückt der Bierschaum Bart und Kinn, macht das Leben wieder Sinn!” Das “t” von “Bart” war über die Jahre den extremen Witterungsbedingungen in Fjellstrup zum Opfer gefallen, sodass der Bierschaum nur mehr “Bar und Kinn” schmückte… der Kernaussage und dem Wahrheitsgehalt tat es jedoch keinen Abbruch.
Wer sich also sogar nach Studium dieses Schildes noch in das Wirtshaus traute, der wurde sogleich mit dem in Fjellstrup üblichen Metkrug empfangen, zu dem sich im Laufe des Abends mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit andere Met- und Bierkrüge gesellten. Dafür sorgte im Übrigen Hanko; ein etwas außer Form geratener Wirt, dessen selbstgebrautes Bier nur noch von seinen Geschichten über die Zeit als Feldherr im Otarsischen Krieg übertroffen wurde. Obwohl die Wahrhaftigkeit dieser Geschichten zweifelhaft war, so unterhielten sie die Anwesenden doch stets vortrefflich. So auch Jonna. Dieser goldbeladene Liebling der Götter! Er war seit neuestem stolzer Besitzer eines seltenen Schwertes, welches Hanko angeblich bei seiner Zeit im Militär geführt haben wollte. Hanko hatte sich, wider besseren Wissens auf ein Kartenspiel mit Jonna eingelassen und das Schwert an ihn verloren. Jonna, Jonna, Jonna. Ein echter Glückspilz eben. Im Gegensatz zu manch anderem. Was uns nun doch wieder zurück zu Luina führt und zu der Geschichte, wie sie Fjellstrup und die gesamte Insel Løvring vor dem Untergang bewahrte. Aber eins nach dem anderen.