Die Farben der Welt Kapitel 3

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„Paps, sieh mal, was ich kann!“ Ren tollte auf dem Karren herum und kletterte zwischen den langen Brettern der Wagenwand umher. Er stieg dabei über die Säcke voll Saatgut, welche auf dem Wagen aufgetürmt waren. Erik ließ es zu.

„Jetzt nicht, Ren!“ rief Anders und wandte sich wieder zu dem Händler: „Vierzehn für jeden Sack?“ schlug er vor. Erik betrachtete einen Moment lang den kleinen Ren und schnitt eine Grimasse. Ren kicherte, während er schräg an der Seite des Wagens hing und verzog das Gesicht ebenfalls. Es gelang ihm nicht so ganz. Anders musste schmunzeln. Der Halbling war Mitte vierzig und sein Kleiner gerade erst sechs, doch Ren hatte ihn in der Körpergröße schon fast überholt. Ren war noch zu klein, um die Welt um sie herum vollends zu verstehen und so sah er in dem erwachsenen Händler stets einen Spielkameraden, wenn er aus der Stadt zu ihnen kam.

„Ja, ja…“ erwiderte Erik beiläufig, ohne Ren aus den Augen zu lassen und winkte ab. „Vierzehn ist gut.“ Er beobachtete weiter den Kleinen, der nun vorne am Kutschbock angelangt war und die Zügel in die Hand nahm.

„Ren, nicht, lass die arme Dara in Ruhe!“ rief Anders und wollte schon zum Wagen eilen, um Ren die Zügel zu entreißen, doch Erik hielt ihn zurück:

„Ist schon in Ordnung.“ Ren hob nun die Arme und schnalzte mit den Zügeln, so, wie er es stets aufgeregt durch das Küchenfenster beobachtete, wenn Erik über den sandigen Weg auf die kleine Farm zu preschte. Dara stand einfach seelenruhig da und rührte sich nicht. Anders schüttelte fassungslos den Kopf.

„Sie lässt sich durch Nichts aus der Ruhe bringen, was?“ Erik zwinkerte ihm schelmisch zu.

„Ach…“ begann er. „Sie hört eben nur auf mich… Er wächst schnell.“ Er meinte natürlich Ren. Anders sah den Halbling mit den schwarzen Stoppelhaaren und der grünen Gildenkleidung an und nickte:

„Aye.“

„Wie geht es Ella?“ Als Anders schwer seufzte, lachte Erik und zwinkerte ihm kumpelhaft zu. „Die jungen Frauen, nicht?“ Anders beugte sich verschwörerisch zu dem Halbling hinab:

„Sie möchte in die Stadt – auf den Markt… oder was weiß ich.“ Er zuckte mit den Achseln. „Ist ihr hier wohl zu langweilig. Der Tratsch mit den anderen Frauen erfüllt sie wohl nicht.“

„Ach… erinner‘ mich nicht daran!“ Erik schlug die kleinen Hände vors Gesicht. „Ich muss jetzt dann noch zu den Hervsens.“ Anders lachte, als er an die geschwätzige Onna dachte, die Frau des benachbarten Bauern. Sie war zwanzig Jahre älter als seine Ella – so wie eigentlich alle Frauen hier auf den Höfen vor der Stadt. Es war sehr schwer Anschluss zu finden – Schwer für sie alle drei. Anders hatte den Hof sehr früh geerbt und mit eigenem Land und Gehöft klarkommen müssen. Er selbst hatte meist mit alten Bauern zu schaffen, die ihm zwar oft nützliche Tipps gaben, um sein krankes Vieh zu behandeln oder sein Saatgut gewinnbringender auszubringen, doch richtige Freundschaft kam nie auf. Bei seiner Frau war es kaum besser. Sie klagte jede Woche aufs Neue, wenn sie aus dem Gasthof zurückkam und von den alten Tratschtanten, so wie sie sie nannte, berichtete.

„Sie wird dich nicht mehr weglassen… Nicht, ohne dass sie dir jede neue und alte Geschichte ihrer Enkel erzählt hat.“ Anders grinste schadenfroh, während Erik wie verloren vor ihm stand und schluckte. „Möchtest du noch was trinken, um dich auf die bevorstehende Prüfung vorzubereiten?“ Der Händler nickte dankbar und sie machten sich auf den Weg in das kleine Wohnhaus, welches aus vier Zimmern bestand. Ella war gerade dabei, zerschlissene Kleidung von Ren zu flicken, als sie die Stube betraten. Ren folgte ihnen und lief dabei stets um Erik herum, der auf seine Albernheiten einstieg.

Als Ella sie etwas mürrisch begrüßte, sah Anders, wie Erik ein Lachen unterdrücken musste. Für einen Moment hielt er den Atem an, doch Erik konnte sich beherrschen und Ella hatte zum Glück nichts bemerkt. Er gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange und die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Er nahm drei Schnapsgläser aus dem Regal, füllte eines mit Milch und die zwei anderen mit dem Kräuterschnaps, den sie von den Hervsens gekauft hatten.

„Auf etwas leicht Bekömmliches aus dem Hause Hervsen!“ rief er. Ella gluckste, während sie die Nadel ein weiteres Mal hob, Erik musste lauthals lachen. Ren verstand nicht, doch er lachte mit ihnen. Stolz hob er sein Glas Milch in die Höhe und sie stießen an.

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