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Der Kräuterschnaps schmeckte schal. Als die brennende Flüssigkeit seine Kehle hinablief, war ihm, als würden sich all seine Bartstoppeln aufstellen. Er stieß ein zufriedenes Brummen aus und knallte das Glas umgedreht auf den breiten Schreibtisch. Da kein Finger breit Platz auf dem Wust aus Dokumenten und Büchern war, ruhte es nun auf einem Blatt Papier, in dessen Ecke das Siegel der hohen Universität prangte.
Fjorskar nahm das Schnapsglas leicht seufzend und löste das Blatt, welches daran klebte mit der anderen Hand. Mit leicht gequältem Gesichtsausdruck beäugte er nun das Papier, auf dem sich ein dunkler, kleiner Ring gebildet hatte. Typisch Iffrin… Diese Zwerge hatten doch immer nur ihre Bücher im Kopf.
„Anders, Anders…“ seufzte Fjorskar erneut und stellte das Glas auf den kleinen Serviertisch vor dem Aktenregal hinter sich. „Ich weiß auch nicht, wieso du immer die Drecksarbeit machst.“ Der Iffrin beugte sich zu ihm vor, stützte die Ellbogen auf dem Schreibtisch ab und verschränkte die Finger, sodass er sein Kinn auf den Daumen abstützen konnte. „Jetzt mal ehrlich… Du bist einer meiner besten Männer. Ein ausgezeichneter Kämpfer.“ Er bedachte ihn mit einem gutmütigen Blick über seine bronzene Nickelbrille hinweg, die nun tief auf seine lange Hakennase gerutscht war. Anders lehnte sich im Stuhl zurück, um wieder etwas Abstand zu gewinnen. Fjorkar hatte es wohl bemerkt, denn eine seiner buschigen Brauen tanzte für einen Augenblick nach oben. Er schien dem Ganzen jedoch nicht sonderlich viel Bedeutung beizumessen, denn er schüttelte rasch den Kopf und fuhr unbeirrt fort:
„Hör mal. Diese Aufträge sind furchtbar bezahlt – Und das gebe sogar ich zu.“ Er warf die Arme in die Luft. „Ich möchte dir was Besseres geben.“
„Mein Geld.“ Murrte Anders, ohne auf den Zwerg einzugehen. Fjorskar schnaubte, zog eine Schublade auf und warf ihm achtlos einen kleinen Lederbeutel zu. Er landete klimpernd vor Anders auf dem Tisch.
„Hier!“ stieß er verärgert hervor. „Da hast du deine verkackten dreizehn Heller. Davon kannst du einen Abend saufen – Oder vielleicht eher einen halben, so wie ich dich kenne.“ Anders versuchte es nicht persönlich zu nehmen. Es gelang ihm nicht.
„Vorsicht, Fjor.“ Er beugte sich leicht nach vorne und dieses Mal war es Fjorskar, der kaum merklich zurückwich. Er war es nicht gewohnt, dass man ihn einschüchterte. Die Wache am Eingang straffte sich – das konnte Anders an dem klappernden Geräusch des Kettenhemdes hinter sich deutlich erkennen. Sein Blick sprang kurz zu seinem Langschwert, welches an seiner rechten Seite am Schreibtisch lehnte. Es war in der Scheide – doch das war bedeutungslos. Der Gildenführer folgte seinem Blick und seine Augen weiteten sich.
„Ich wusste ja, dass du furchtlos bist, aber…“ stieß der Iffrin überrascht hervor.
„Aber was?“ unterbrach ihn Anders. „Denkst du, du kannst mich einschüchtern, wie die verdammten Bauern, die hier ein und aus gehen?“ Fjorskar erbleichte. Das Gespräch nahm wohl nicht die Wendung, die er erwartet hatte.
„Ist ja gut. Ist ja gut.“ Wiegelte er ab und hob verteidigend die Hände. Anders fiel zurück in den Stuhl. Der Wachmann raschelte erneut. Anders Mundwinkel zuckte nach oben.
„Willst du nicht doch einmal darüber nachdenken?“ begann Fjorskar von Neuem. „Ich benötige jemanden mit deinen… Talenten, um eine Sache zu klären.“ Anders war nicht sonderlich interessiert. Fjorskar legte noch einen drauf: „Sind zwan… Dreißig Silbertaler für dich drin!“ Er schnippte mit dem Finger und nickte, scheinbar äußerst zufrieden mit sich selbst. Anders seufzte.
„Gibst du dann Ruhe?“ Der Iffrin nickte übereifrig und schob ihm einen versiegelten Umschlag über den Tisch zu. Das Umschlagpapier war von einer dunkelgelben Farbe und an der Stelle des Wachssiegels leicht ausgebleicht. Das Siegel zeigte den auf einem Ast sitzenden Adler der Yllindroen Tallar. Anders rührte den Umschlag nicht an. Stattdessen hob er den Kopf und bedachte Fjorskar mit einem vielsagenden Blick. Der Iffrin rückte seine Brille zurück, nickte gedankenverloren und zog den Umschlag zu sich heran. Der goldverzierte Brieföffner fuhr ratschend über den Umschlag. Er faltete den Brief auseinander und wollte beginnen. Im nächsten Moment seufzte er, zog eine Schublade auf, legte seine Brille hinein und zog eine schmälere mit dünneren Gläsern heraus. Er setzte sie auf und überflog das Schreiben. Seine Pupillen tanzten über die Zeilen und offenbarten einen geübten Leser.
„Ein Auftrag der Hafensicherheit… Kommandant Arvon… Ermittlungen in Midstadt… ach ja.“ Er sah auf. „Ihnen fehlen Männer für eine Ermittlung hier in Midstadt.“ Er lachte dreckig. „Ein Schmugglerring macht ihnen Probleme. Irgendein Pfeifenkraut, was immer wieder den Weg in die Slums findet. Verdammt ekelhaftes Zeug. Brennt dir das halbe Gehirn weg, wenn du zu viel nimmst.“ Anders hob interessiert eine Braue. Fjorskar schüttelte den Kopf. „Ach ja. Natürlich. Du sollst den Schmugglerring aufdecken und nicht das Zeug klauen, verstanden?“
„Natürlich. Ich habe nur einen Scherz gemacht.“ Gab Anders zurück. Der Iffrin lachte gekünstelt.
„Haha… wie auch immer. Sie…“ er überflog erneut einen Teil des Schreibens. „…wissen gar nichts. Es läuft irgendwie über Midstadt, wo das Zeug verteilt wird. Wenn dieser Ring zerschlagen wird, können sie es nicht mehr unter die Leute bringen. Kriegst du das hin?“ Anders stand auf, griff mach seinem Schwert und nickte.
„Sicher… und dann krieg ich wieder einen Auftrag draußen?“
„Natürlich… was auch immer du willst. Warum auch Geld verdienen, wenn man auch abgeschlachtet werden kann für ein paar lausige Heller.“ Er schüttelte den Kopf, während Anders sich von ihm abwandte und an der Wache vorbei nach draußen ging. Der Mann warf ihm einen zornigen Blick zu, der ihn wohl warnen sollte, doch Anders ignorierte ihn einfach.
„Ich verlass mich auf dich! Die Hafensicherheit ist mein bester Kunde!“ rief ihm Fjorskar noch hinterher, doch Anders antwortete nicht mehr.